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Der Einsatz von Becken – Tipps für Schlagzeuganfänger Teil 6

Echt jetzt? Ein Artikel über den Einsatz der Becken? Einfach draufhauen und gut ist, oder? Kannst du so machen. Kannst du bedenkenlos so machen. Aber dann vergibst du dir eine Menge Möglichkeiten, und ich sage dir auch warum.

So ein Becken ist ja rein akustisch schon ein ziemlicher Hammer: Du schlägst mit einem Holzstock auf ein vergleichsweise riesiges Ding aus Metall, und je nachdem, wie ernst du es meinst, wird das schon ganz schön laut und klingt auch ganz schön lange nach. Nun kannst du die Philosophie vertreten, dass ein Becken ja in den Hintergrund gemischt wird, und egal, wie viele Becken du hast und wie viele du davon in kurzer Zeit oder gleichzeitig spielst – sie werden sich schon irgendwie einfügen. Und genau das tun sie ja auch, wenn der Mix stimmt.

Aber ich habe ja von vergebenen Möglichkeiten gesprochen, und wenn du die Becken nur so siehst – gewissermaßen als metallischer Teppich -, dann ist das zwar nicht falsch, aber du vergibst auch die Chance, einem Becken seine eigentliche Bedeutung beizumessen – nämlich die eines extrem wirkungsvollen Effektklangs.

Dieser eher verschwenderische Ansatz hinsichtlich des Einsatzes von Becken ist im Grunde gar nicht so unüblich, und die meisten Schlagzeuger machen sich hierzu keine Gedanken. Bei mir war es genauso, bis ich eines Tages – nach Jahren mal wieder – den Song ‚Mama‘ von Genesis gehört hatte. Ich hatte ihn hundert Mal, wahrscheinlich tausend Mal gehört, und nie waren mir mehr Besonderheiten aufgefallen als die ‚üblichen Verdächtigen‘ dieses Songs, wie den hypnotischen Linn-Drum-Beat, die geisterhaften Synths und dann natürlich den unfassbaren Gesang von Phil Collins. Und: Den umwerfenden Einsatz der harten Drums mitten im Stück.

Dennoch: Der eigentliche Witz Collins‘ war mir jahrelang verborgen geblieben, und da es in diesem Beitrag um Becken geht, hat es wahrscheinlich damit etwas zu tun. Hat es auch. Denn in Wahrheit – und das hat mich viel gelehrt – gibt es in diesem durchaus langen und an Effekten und Wandlungen und Steigerungen nicht eben armen Highlight der Musikgeschichte genau ein einziges Becken zu hören. Das war‘s. Und da dachte ich mir ‚Warum macht der Phil Collins das?‘. Und meine Antwort war und ist ‚Einfach, weil er dieses Becken zu schätzen und seine Wirkung einzusetzen weiß.‘

Ich spiele dennoch Crashbecken eher verschwenderisch, denn ich mache sowieso lieber eher mehr als weniger. Aber gleichzeitig habe ich durch ‚Mama‘ angefangen, den Einsatz von Becken zu hinterfragen, und du kannst in einem Song sehr subtil und doch sehr wirkungsvoll die Darbietung deines Spiels steigern, indem du vielleicht mal in der ersten Strophe die HiHat weglässt und sie erst in der zweiten bringst. Auch hier gehst du plötzlich anders mit Becken um, denn die HiHat ist ja nichts anderes als ein Becken, bzw. deren zwei. Oder du benutzt die HiHat sogar ab und an als Crash-Becken, so wie Steve Negus von Saga das gerne gemacht hat. Aber zurück zu deinem Aufbau.

In der Bridge lässt du vielleicht mal das Ride folgen, das die HiHat ablöst, und das musst du aber eben nicht mit einem Crashbecken auf der 1 betonen, denn du spielst ja jetzt auf der 1 sowieso schon ein riesiges Becken – mithin das größte an deinem Set überhaupt – eben das Ride. Und dann bringst du vielleicht ein Crash auf die 1 vom Refrain. Phil Collins würde dir aber an dieser Stelle sicher gentlemanlike zurufen ‚Bist du sicher, dass du es schon brauchst?‘ Du siehst schon – es geht hier um einen reduzierten Ansatz hinsichtlich deines Schlagzeugspiels, und du solltest einfach wissen, dass es so etwas gibt und was es dir bringen kann.

Aber es geht hier nicht nur um das Spielen oder Weglassen von Crashbecken, Rides und der HiHat. Es geht auch zum Beispiel um den speziellen Effekt von Splash-Becken oder exotischen China-Becken. Alle diese Becken können dein Spiel enorm bereichern, und du wirst sehen, dass sie ihre Wirkung umso stärker entfalten, wenn du sie eben hier und da etwas bewusster und weniger verschwenderisch einsetzt. Auch sehr gute und lehrreiche Beispiele für den geschickten Einsatz von Becken sind ‚All You Zombies‘ von The Hooters und ‚The Vendetta‘ von Saga, bei dem sogar so etwas wie ein Rückwärtsbecken im Song verwendet wird.

Die meisten verwenden die Becken eher in der ‚normalen‘ Manier – heißt: Verschwenderisch. Daran ist nichts falsch – im Gegenteil, macht es doch geradezu unglaublich viel Laune, mit den Becken auch wirklich zu spielen, wo sie doch schon einmal da sind. Und wenn wir schon beim exzessiven Einsatz der Becken sind: Warum sich selbst beschränken? Ich nutze an meinem Set 2 Rides, 2 HiHats, 4 Crashbecken, ein Splash und zwei ‚große‘ Becken à la China und Konsorten. Damit kann ich ganz schön Alarm machen, und den mache ich auch. Was ich damit sagen will: Wenn du Becken magst, dann denke hin und wieder darüber nach, deinen ‚Fuhrpark‘ zu erweitern. Ein Splash ist schön subtil, und ein China ist das genaue Gegenteil. Wenn du mehr als 1 oder 2 Crashbecken hast, dann kannst du sie schön im Stereopanorama verteilen, aber auch sonst ist dann einfach immer eines in Schlagweite – egal, von welcher Seite des Sets du gerade kommst.

So oder so – Becken sind etwas absolut Wundervolles am Schlagzeug, und ob du sie nun reduziert oder eben verschwenderisch oft einsetzt – der Spaß beim Spielen ist auf jeden Fall garantiert, zumal du ihnen in aller Regel durch die gleichzeitig gespielte Bassdrum ja auch noch in Echtzeit eine intensive Körperlichkeit gibst.

Dein Philip Edelmann

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