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Richtig intonieren – So lernst du die Töne zu treffen

Der Ton macht die Musik

In der westlichen Musik wird fast ausschließlich ein diatonisch-chromatisch-enharmonisches Tonsystem verwendet. Das hört sich kompliziert an, meint aber nur, dass wir eben meist 7-stufige Tonleitern nutzen, nur Halb- und Ganztöne kennen und uns mit enharmonisch austauschbaren Tönen begnügen, die je nach harmonischer Funktion anders heißen, aber in der gleichen Frequenz „klingen“. So wurde das Tonsystem auf insgesamt 12 Töne reduziert. Nur so ist es möglich, dass etwa ein Klavier mit einer einheitlichen Stimmung alle Tonarten abbilden kann. Was bedeutet das im Zusammenhang mit dem Singen? Ganz einfach: Korrektes Intonieren, also das Treffen der Töne impliziert eine kulturelle Tradition, eine Gewöhnung an einen ganz bestimmtes System, an vordefinierte Intervalle und harmonische Verhältnisse. Im asiatischen, afrikanischen oder arabischen Raum ist das Ton-Empfinden kulturell ein ganz anderes.

Innerhalb dieses Referenzrahmens, den wir im Westen von Geburt an gewöhnt sind, wird von Hörern allerdings meistens ein exaktes Töne treffen von Sängern erwartet. Schiefe Töne irritieren spontan – selbst Laien merken meist, das die Darbietung irgendwie nicht „rund“ ist, weniger harmonisch klingt, wenn falsche Noten vorkommen.

Als Sänger stresst es dich vielleicht, wenn du mit der Intonation Schwierigkeiten hast. Aber die gute Nachricht ist, dass es einige Hilfestellungen gibt, die dir schnell und einfach weiterhelfen.

Im Folgenden möchte ich diese Tipps mit dir teilen.

Den passenden Videokurs der OpenMusicSchool findest du hier:

Videokurs: Die Richtige Intonation

1. Nimm dich auf!

Das Problem an der Intonation ist, dass einige Sänger sich selbst anders hören. Die Resonanzen im Kopf, die Physiologie des Innenohrs und die emotionale Ablenkung verhindern manchmal ein korrektes Hören. Während diese Sänger souverän in der Lage sind eine falsche Intonation bei anderen Sängern zu erkennen, bemerken sie bei sich selbst womöglich keine Schwäche – andere allerdings durchaus. Selbsterkenntnis ist also der beste Weg zur Besserung. Doch wie kann man sich eine objektive Perspektive auf die eigene Stimme verschaffen?

Ganz einfach: Nimm dich auf. Recording ist das Zauberwort. Wie hören so viel professionell aufgenommene Musik im Alltag, dass wir bei einer Tonaufnahme von uns selbst sofort Auffälligkeiten registrieren. Das kann eine unschöne Erfahrung sein. Das ist aber normal. Mit der Zeit gewöhnst du dich an den andersartigen Sound deiner Stimme von außen und bist dann in der Lage gezielt an dir zu arbeiten.

Lege dir ein günstiges Kondensatormikrofon mit Popschutz und ein einfaches Interface mit Wanlder für PC oder Tablet zu. Dazu noch eine Audiosequenzer-Software (Logic, Garage Band, Cubase, Pro Tools, Audacity und so weiter) sowie ein Paar aktive Lautsprecher und schon kann es losgehen! Richte dir ein fixes Setup ein, so dass du dich jederzeit beim Üben spontan aufnehmen kannst. Wenn es besonders schnell gehen soll, dann nimm ein gutes Diktiergerät oder in Zweifel ein Smartphone mit Sprachmemo-App. Je schneller du auf den roten Aufnahmeknopf drücken kannst, desto besser.

Es ist dir vielleicht nicht bewusst, aber dich selber in guter Qualität aufzunehmen, den technischen Aufnahmeprozess zu erlernen und mit der Zeit zu optimieren, ist die mit Abstand beste Möglichkeit (nicht nur als Sänger) besser zu werden – auch und gerade was Fortschritte bei der Intonation angeht. Durch das Komponieren, Aufnehmen und Abmischen von Musik hörst du immer bewusster hin und schulst dein Gehör. Ausschließlich LIVE zu singen und zu musizieren hat nicht den gleichen Effekt.

2. Erlerne die richtige Technik und trainiere dein Gehör

Häufig denken Laien-Sänger, dass sie schlicht unmusikalisch sind und daher keine Töne treffen. Es ist aber sehr selten, dass jemand zumindest intuitiv richtige von falschen Tönen nicht unterscheiden kann. Vielmehr haben einige Menschen eine von Grund auf falsche Technik in der Erzeugung von Tönen, in der Vokalbildung und so weiter – dementsprechend machen die Stimmbänder nicht was sie sollen und der richtige Ton will einfach nicht rauskommen. Erschwerend kommt hinzu, dass im Gehirn mit der Zeit eine Verknüpfung von falscher Einstellung des Stimmtrakts, falscher Tonfrequenz und „gedachtem“ Ton entsteht – die Folge ist eine Verinnerlichung falschen Singens.

Es ist also wichtig, dass du zunächst eine halbwegs gesunde Gesangstechnik, eine korrekte Atmung und Kontrolle bei der Lautbildung lernst. Anschließend versuchst du im Abgleich mit einer Gitarre oder einem Klavier vorgegebene Töne zu treffen. Singe einfache Vokale wie A, O und E. Hör‘ genau hin! Wann sind die Töne deckungsgleich? Wann schwingen die Töne gleich und ohne Reibung? Beginne dabei zunächst mit Tönen in mittlerer Sprech- und Singlage. Erst wenn du dich hier verbesserst, taste dich an kurze Tonfolgen und Melodien ran. Die Koordination der Stimmbänder beim Wechseln von Tönen braucht Training, vor allem wenn du noch nicht oft gesungen hast. Die Muskeln, die die Stimmbänder strecken, sind für die Intonation verantwortlich – sie müssen wie alle Muskeln erst trainiert werden. Im Idealfall kannst du mit der Zeit ein Muskel- und Tongedächtnis aufbauen und den Zielton ansatzlos treffen. Versuche nicht einen falschen Ton, egal ob du zu hoch oder zu tief angesetzt hast, „hinzubiegen“, vermeide also mit einem Glissando den Ton zu suchen. Denn dein Ziel ist es, Töne sauber gestuft und exakt ansingen zu können, nicht „rumzueiern“.

3. Erweitere deine Range / deinen Tonumfang

Kann es sein, dass du dich nur in den hohen Lagen schwer tust Töne zu treffen? Dann hast du eher kein Intonationsproblem – deine begrenzter Tonumfang macht dir einen Strich durch die Rechnung und zwingt dich den Ton rauszupressen. Es gibt mehrere Ansätze, deinen Tonumfang zu erweitern und deutlich leichter hoch zu singen.

Bei der ersten Möglichkeit experimentierst du mit verschiedenen Vokalen – ein offener Vokal wie „Aaaa“, oder ein resonanter Vokal wie „Eeee“ eignen sich besser, mit der Bruststimme hoch zu singen. Ein enger Vokal wie „Iiii“ oder „Uuuu“ eher weniger. Es ist ein super Trick, Wörter in hohen Lagen bewusst etwas anders auszusprechen. Zum Beispiel könntest du das englische Wort „hear“ in Richtung „hair“ umwandeln, das englische „e“ (deutsch „i“) also etwas in Richtung des englischen „a“ (deutsch „e“) formen. Du wirst sehen, dass viele Töne dann gleich leichter gesungen werden können. Sprachverständlichkeit ist wichtig, aber es gibt einen Grund, warum eine vokal-lastige und in der Klangformung flexible Sprache wie das Englische so viel gute Sänger hervorbringt. Deutsche Sänger scheuen sich oft vom exakten Schrift- und Hochdeutsch abzuweichen.

Bei der zweiten Möglichkeit trainierst du mit passenden Gesangsübungen deine Mischstimme / Mixed Voice auszubilden. Deine Mischstimme ist gewissermaßen ein Hybrid aus Kopfstimme und Bruststimme, bei Frauen ist dies die Mittelstimme. Sie hilft dir dabei, deine Register miteinander zu verbinden. Viele Frauen haben von Natur aus schon die Fähigkeit, in dieser Mittellage zu singen. Der Anteil an Randschwingungen der Stimmbänder, das heißt ein leichtes, flexibles Singen in der Misch- und Kopfstimme fällt Frauen also leichter. Männer springen häufig in ein säuselndes Falsett oder Brüllen einfach, wenn sie hoch singen sollen. Für Mann und Frau ist es aber erstrebenswert sich den „Zwischenbereich“ bewusst zu machen und so spielerischer und souveräner in allen Lagen zu singen. Frauen benötigen tendenziell eher Übungen für mehr Stärke und Substanz im Ton, Männer brauchen erfahrungsgemäß eher mehr Leichtigkeit und Flexibilität. Der Zugang zur Mischstimme geht entweder über Sanftheit, also ein in der Lautstärke zurückgenommenes Ansingen gerade der höchsten Töne oder über ein sehr resonantes Belting & Twang mit passender Mundstellung und Lautbildung. Beide Varianten funktionieren mühelos, praktisch ohne echte Anstrengung. Ein verkrampftes Schreien „aus dem Hals“ sollte generell vermieden werden.

Wie du durch den Einsatz von Vokalen, durch die Mischstimme und durch Belting deinen Tonumfang erweiterst, zeige ich allen Mitgliedern der OpenMusicSchool in einem sehr informativen, ausführlichen Gesangskurs, der dir garantiert weiterhilft:

Videokurs: Erweitere deinen Tonumfang

4. Wie hörst du dich?

Beim Singen geht es nicht nur um den Schall, der letztlich aus deinem Mund kommt. Sondern auch um den Schall, der zu dir zurück in die Ohren kommt. Kurzum: Es spielt eine Rolle wie du dich hörst!

Ohne Verstärkung bestimmt der Raum in dem du dich befindest, was und wie du dich hörst. In einem größeren Raum mit schallharten Oberflächen (Glas, Beton, Fliesen usw.) und wenigen absorbierenden Materialien gibt es viele Reflektionen – der Raum hat dann zwar einen recht langen Nachhall, aber dieser natürliche „Effekt“ gibt den meisten Sängern ein gutes Gefühl und vor allem ein akustisches Feedback. In etwas hallenden, geräumigen Umgebungen macht es Spaß zu singen und man hört den Nachklang der eigenen Stimme, hat also im Normalfall eine gute Kontrolle über die Tonhöhe. Ganz anders in kleinen, engen und schalltoten Räumen (mit vielen Möbeln, Büchern, Teppichen, usw.) Hier singt man regelrecht gegen eine Wand an und man singt lauter als gewohnt, um das Fehlen von Reflektionen zu kompensieren. Die Intonation ist oftmals ein Produkt der akustischen Situation in der man sich befindet. In privaten Wohnungen und Häusern eignen sich große Flure, Wohnzimmer mit hohen Decken und generell größere Räume gut zum Singen. Ein kleiner, niedriger Kellerraum ist nicht optimal. Auch und gerade ein angehender Sänger sollte seine Sing-Umgebung daher mit Bedacht wählen!

Alternativ kann es hilfreich sein, über ein Mikrofon zu singen und sich über eine kleine PA oder einen Monitor ein wenig zu verstärken. Ein kleiner digitalen Mixer mit integrierten Effekten ist ebenfalls eine gute Anschaffung. Etwas künstlicher Hall oder Delay gibt dir beim Singen ein gutes Gefühl. Ist alles richtig eingestellt hörst du dich besser und das kommt dann auch deiner Intonation zu Gute.

Wenn du über Kopfhörer abhörst, sollte die Abstimmung der Lautstärke besonders viel Aufmerksamkeit bekommen. Es ist eine alte Regel im Studio, dass einige Sänger etwas zu tief singen, wenn sie sich zu laut hören, etwas zu hoch wenn sie sich zu wenig hören. Wenn du dich über Kopfhörer eingeengt und isoliert fühlst kann es helfen eine Ohrmuschel des Kopfhörers abzusetzen. Die Kombination aus räumlichem Hören und dem Monitormix auf dem anderen Ohr ergibt eine angenehme Abhörsituation für die meisten Sänger.

Richtig intonieren – der Gesangskurs zum Thema

Im folgenden ausführlichen Videokurs erfährst du alles über das Thema Intonation – wie du deine „Treffsicherheit“ verbessern kannst und welche Tricks dir in der Praxis weiterhelfen.

Videokurs: Die Richtige Intonation

Viel Spaß beim grenzenlos Singen!

Dein Vocal Coach Benjamin Cross

Benjamin Cross

Benjamin Cross ist ein erfahrener Sänger, Multi-Instrumentalist und Musikproduzent der schon in den Charts zu hören war. Bei der OpenMusicSchool unterrichtet er Gitarre, Bass und Ukulele.

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