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Die Entstehung der E-Gitarre

Die E-Gitarre ist nicht nur ein Instrument mit elektrischem Anschluss – sie hat die Musikwelt dauerhaft verändert und eine kulturelle Wirkung entfaltet, die ihresgleichen sucht. Die Form der E-Gitarre, die individuelle Beziehung zum Gitarristen, ihr Sound und die rebellische Haltung für die sie steht, sind aus unserer Kultur nicht mehr wegzudenken. Was wäre die Hippie-Bewegung ohne die Attitüde eines Jimi Hendrix, der alleine mit seiner E-Gitarre und seinen Songs die Ideale einer ganzen Generation verkörpert hat? Die Beatles, Eric Clapton, The Who, die Rolling Stones – die Gitarrenmusik der 60er war Ausdruck einer Aufbruchstimmung und brachte diese selbst hevor. Die Jugend-, Protest- und Gegenbewegungen der 60er, 70er und 80er wären ohne die E-Gitarre als zentrales Ausdrucksmittel nicht denkbar. Mittlerweile ist die E-Gitarre und ihr Sound so sehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen, dass gerade jetzt die Frage lohnt: Was ist eigentlich der Ursprung der E-Gitarre? Wer hat sie erfunden? Welche bekannten E-Gitarren Modelle gibt es?

Jimi Hendrix, 10. Mai 1968, Copyright by Steve Banks

Das Problem: Lautstärke

Wie so oft, steht am Anfang der Geschichte der E-Gitarre ein Problem. In Big Bands und Orchestern dominierten Anfang des 20. Jahrhunderts die lauten Blechbläser, also Trompeten und Posaunen. Die Gitarre war bestenfalls ein unauffälliger Teil der Rhythmussektion (also Schlagzeug, Percussion, Bass und Klavier). Doch einige Musiker wünschten sich eine gewichtigere Rolle der Gitarre. Sie sollte auch durchsetzungsfähige solistische Parts übernehmen können. Die Frage war also, wie kann man Gitarren lauter kriegen?

Zunächst versuchte man den Resonanzraum, also den Korpus der Gitarre zu vergößeren. Das hatte natürlich durchaus den Effekt, dass mehr Luft in Bewegung versetzt wird, aber die Lautstärke reichte immer noch nicht aus.

Ein weiterer, durchaus erfolgreicher Ansatz war Mitte der 20er Jahren die Erfindung der sogenannten Resonatorgitarre durch George Beauchamp und John Dopyera. Resonatorgitarren haben akustische Lautsprecher im Korpus integriert, die durch das Spielen der Saiten wie eine Membran in Schwingung versetzt werden und den mechanisch verstärkten Klang durch eine Trichterkonstruktion abgeben. Im Blues und Bluegrass werden diese Instrumente bis heute, oftmals als Slide-Gitarre eingesetzt.

Der Wendepunkt auf dem Weg zur modernen E-Gitarre war aber die Entscheidung den Gitarrenklang elektrisch zu verstärken. Lloyd Loar, ein Ingenieur des Gitarrenbauers Gibson entwickelte schon 1923 ein System, dass die indirekten Schwingungen der Korpusdecke aufnahm und sie elektrisch verstärkte. Gibson war aber skeptisch gegenüber der neuen Erfindung und darüber hinaus war das Tonabnehmer-System störanfällig.

Der elektromagnetische Tonabnehmer

Als Wegbereiter und damit Erfinder der E-Gitarre können George Beauchamp und Adolph Rickenbacker gelten. 1931 entwickelten die beiden einen Tonabnehmer, der auf dem elektromagnetischen Prinzip der Induktion beruhte. Ein mit einer Drahtspule umwickelter Magnetkern verändert durch Induktion seine Spannung, wenn die (metallischen) Gitarrensaiten sich im Magnetfeld bewegen. Damit war die technische Innovation vorhanden, die bis heute die Grundkomponente aller E-Gitarren bildet. Das erste Patent mit dieser Konstruktion war die 1932 die „Frying Pan“ eigentlich eine Lapsteel-Gitarre, die auf dem Schoß liegend gespielt wird. Tatsächlich sieht diese Gitarre aus wie eine Bratpfanne. Aufgrund der großen Zweifel ob der Bespielbarkeit der neuartigen Gitarre, wurde das Patent erst 1937 angenommen.

In diesem kurzen Video kannst du dir die Frying Pan ansehen:

Kurz nach der „Frying Pan“ kam es in kurzer Abfolge zur Entwicklung richtiger Schlaggitarren mit den neuen Tonabnehmern. 1932, ebenfalls von Beauchamp und Rickenbacker zunächst die erfolglose Electric Spanish und die vielleicht erste E-Gitarre in Serienfertigung: Die Gibson ES-150 aus dem Jahr 1936. Diese Gitarre hatte aber immer noch einen akustischen Resonanzraum, im Unterschied zu den späteren vollendeten E-Gitarren in Massivbauweise („Solidbody“).

Hier ein Video zur ES-150:

Ein wichtiger Vorläufer der „echten“ Solidbody-E-Gitarre war „The Log“, übersetzt also „der Klotz“ von Lester William Polfus (alias Les Paul). 1941 zerteilte er eine Akustikgitarre der Länge nach und fügte dazwischen einen massiven Holzbalken ein. Auf diesem Weg konnte die Anfälligkeit für Rückkopplungen reduziert werden und gespielte Noten hatten einen längeren Sustain (Nachklang). Obwohl dieser Gitarrenprototyp noch kleine Resonanzräume hatte, war der Schritt zur Solidbody nur noch eine logische Konsequenz.

Auch Paul Bigsby und Merle Travis lieferten schon 1948 einen echten Vorreiter der modernen E-Gitarre. Ihre Konstruktion hatte eine asymmetrische Kopfplatte mit allen Stimmmechaniken in einer Reihe und einen durchgängigen, in der Korpus reichenden Hals. Die Bigsby/Travis-Gitarre beruhte nicht mehr auf dem Prinzip akustischer Resonanz und darf daher in einer Geschichte der E-Gitarre nicht unerwähnt bleiben.

Die Revolution: Die erste „echte“ Solidbody E-Gitarre

Die erste vollendete E-Gitarre verdanken wir Leo Fender. Mit kleinen Anleihen aus der Bigsby/Tavis-Gitarre entwarf er 1950 mit der Fender Esquire eine sehr gut abgestimmte E-Gitarre, die bis ins letzte Detail durchdacht war und großartig zu bespielen war. Die E-Gitarre wurde aufgrund von anfänglichen Problemen mit der Halsstabilität in kurzer Zeit durch einen Halsspannstab (Truss rod) verbessert und unter neuem Namen auf den Markt gebracht. Zwischenzeitlich hieß die Esquire Broadcaster, aufgrund eines Rechtsstreits mit dem Instumentenbauer Gretsch kurz Nocaster und schließlich final Telecaster, wie die dieses Modell auch heute noch heißt.

Kopfplatte einer Fender Telecaster

Die typische Telecaster hat zwei Single-Coil Pickups (Eine Spule). Sie zeichnet sich durch einen bissigen, „Twang“ Sound aus, der wunderbar zu Country, Britrock, oder Blues passt.

1952 war dann die Geburtsstunde der „klassischen“ Gibson Les Paul, eine Antwort auf das Modell von Fender. Die Les Paul war zunächst mit P90-Single-Coil Tonabnehmern bestückt, die etwas weniger scharf klangen, wie jene von Fender. Ab 1957 folgten dann auch Modelle mit Humbuckern, also Doppelspulen-Tonabnehmern. Diese Pickups klangen noch voller, wärmer und druckvoller und grenzten die Les Paul klanglich deutlich vom scharfen Klang der Telecaster, oder aber der Stratocaster ab. Außerdem neigen Humbucker nicht so stark zu Brumm- und Störgeräuschen.

Gibson Les Paul mit Humbuckern in schwarz mit goldener Hardware („Black Beauty“)

Leo Fenders zweiter großer Wurf im Jahr 1954 war die Stratocaster („Strat“). Die Stratocaster hat eine ikonische Bauform, weniger klassisch als eine Les Paul, aber mit ihren zwei Cut-Aways im Korpus äußerst prägend für die Vorstellung einer typischen E-Gitarre. Mit ganzen drei Single-Coil Tonabnehmern und einem Vibratosystem eröffneten sich den Gitarristen von nun an zahlreiche neue kreative Klang- und Spielmöglichkeiten.

Single-Coil Tonabnehmer, wie er in einer Stratocaster verbaut wird
Humbucker mit zwei Spulen

Eine neue Ära

Der Durchbruch der E-Gitarre kam also in den 50er Jahren, auch wenn die neuen klanglichen Möglichkeiten erst in den 60er und 70er Jahren weitgehend ausgeschöpft wurden.

Bis heute sind die Telecaster, die Stratocaster und die Les Paul die Grundformen der E-Gitarre, sowohl im Design, als auch im Klangbild. Viele Hersteller lassen sich noch immer von diesen revolutionären Entwürfen inspirieren, haben aber zum Teil auch neue Kreationen geschaffen, die die Gitarren-Welt erst so bunt und interessant machen. Die E-Gitarren von Rickenbacker, Paul Reed Smith, Ibanez, Yamaha oder ESP – um nur einige zu nennen – haben alle ihre klanglichen und optischen Eigenheiten, die die Gitarrenwelt bereichern.

Einen passenden Videokurs zur Einführung in die Welt der E-Gitarre findest du bei der OpenMusicSchool unter folgendem Link:

Dein Benjamin Cross

Benjamin Cross

Benjamin Cross ist ein erfahrener Sänger, Multi-Instrumentalist und Musikproduzent der schon in den Charts zu hören war. Bei der OpenMusicSchool unterrichtet er Gitarre, Bass und Ukulele.

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