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Die besten Schlagzeuger und was sie ausmacht

In der Musik sind – wie überall sonst – die Geschmäcker verschieden. Dennoch gibt es bestimmte Musiker, die einfach so herausragend sind, dass du nicht an ihnen vorbei kommst. Auch bei den Schlagzeugern gibt es Individuen, die hervorstehen, Rhythmus-Genies, die durch besondere Virtuosität, viel Charakter oder einer Kombination beeindrucken. In diesem Beitrag nenne ich dir eine Reihe von großartigen Drummern und erkläre dir, was sie ausmacht, welche Eigenheiten sie haben. Ich beschreibe zum Teil auch Drummer, die vor allem ich persönlich gut finde, die aber nicht unbedingt super bekannt sind – aber natürlich erfährst du auch einiges über Phil Collins, John Bonham, Dave Grohl und co.

Phil Collins

Phil Collins ist sicher am bekanntesten für seine ‚Gated Drums‘, die ein absolutes Markenzeichen von ihm sind. Durch diese Effektbearbeitung klangen vor allem in den 80er seine akustischen Drumsounds sehr ungewöhnlich, trocken, definiert und ‚in your face‘. Das war vor allem deswegen ungewöhnlich, weil die Drums erstens ‚echte‘ Drums waren und somit live gespielt. Und noch dazu fand das in einer Zeit statt, in der wohl die meisten Popsongs mit elektronischen Drumsounds versorgt wurden. Es geht hier aber weniger um analog-elektronische Sounds, sondern eher um den Versuch, schon mit Samples zu arbeiten, als die Technik noch ziemlich in den Kinderschuhen gesteckt hatte. Demzufolge waren die Samples recht kurz und hatten auch nicht das volle Frequenzspektrum. Aber es war ein Kompromiss, mit dem viele Bands, Künstler und Produzenten dennoch gerne Vorliebnahmen, denn so konnten sie alles quantisieren, unproblematisch im Studio bearbeiten, und – es wurde kein Drummer gebraucht.

Phil Collins hingegen – und Genesis als Band – hat jedoch durchaus viel Gebrauch von analogen Drummachines gemacht – siehe ‚Mama‘ oder ‚In The Air Tonight‘, später dann bei ‚Hold on my heart‘ und vielen anderen. Spannend waren allerdings vor allem die Kombinationen aus analogen und eher sanfteren und hypnotischen Drum-Patterns und den kraftvollen Gated-Powerdrums von Collins selbst, die einen unglaublichen Kontrast darzustellen vermochten.

Phil Collins spielt bei Genesis extrem plakativ und es wird oft verkannt, was für ein virtuoser, raffinierter Drummer er ist. Wie kaum ein anderer ist er in der Lage, songdienlich und überraschend zu spielen. Zu Anfang seiner Karriere bei Genesis war Collins ja ’nur‘ der Drummer der Band. Anschließend – nach dem Weggang des ursprünglichen Sängers Peter Gabriel – hat er sowohl das Schlagzeug gespielt, als auch gleichzeitig noch gesungen. Und erst danach ist er wirklich nach vorne an die Bühne getreten und hat als Sänger das Schlagzeug anderen überlassen – ohne aber live komplett auf entsprechende Einlagen zu verzichten. Auch im Studio hat er das meiste selbst eingespielt, und sein Stil und sein Sound sind ein leicht erkennbares Markenzeichen.

Ein prima Lehrstück ist zum Beispiel ‚No Son of Mine‘. Da zeigt er wieder, wie geschickt man sein Spiel aufbauen kann. Zunächst nur eine leise, wahrscheinlich analoge Bassdrum zu Beginn, und erst danach setzt sein voluminöser und starker Drumsound ein. Er spielt zunächst nur Bassdrum und Snare und lässt die HiHat weg. Die folgt erst im nächsten Teil, und erst zu Beginn der Bridge – nach 2 Minuten also – folgt das erste Becken.

Durch den Gated-Sound seiner Drums machen vor allem die Toms immer richtig Alarm. Aber natürlich sind auch die Bassdrum und die Snare nicht von schlechten Eltern. Es ist in diesem Zusammenhang daher auch einfacher, reduzierter zu spielen, wenn die Sounds an sich schon so groß sind, und bei Phil Collins ist wirklich jedes Einzelinstrument groß im Sound – selbst die HiHat. Und die Becken sowieso. Für mich ist Phil Collins einer der besten Drummer aller Zeiten – und zwar vor allem wegen seiner kompositorischen Fähigkeiten. Es ist überhaupt nicht wichtig, ob du schneller als der Schall spielen kannst. Es geht nur darum, dass du etwas zustande bringst, das zum Song passt. Phil Collins´ Werk unter diesem Gesichtspunkt immer wieder anzuhören und zu studieren, gehört aus meiner Sicht zum absoluten Muss eines jeden Schlagzeugers.

Neil Peart

Neil Peart ist nicht nur für mich eines der größten Vorbilder aller Zeiten am Schlagzeug. Nicht zu vergessen, dass er auch noch nahezu alle Texte für Rush geschrieben hat. Neal Peart ist menschlich nur bedingt zugänglich und fand es auch selbst immer doof, andere Musiker und Stars anzusprechen, weswegen er es auch nicht gemacht hat. Neal Peart steigt nach dem Gig von der Bühne, setzt sich auf sein Motorrad und macht sein eigenes Ding – auf Wiedersehen. So ist er eben.

Er ist dabei aber überhaupt nicht unsympathisch. Er legt nur einfach sehr viel Wert auf seine Privatsphäre. Und: Er ist ein Perfektionist und hat selbst im fortgeschrittenen Alter noch einmal sein komplettes Spiel hinterfragt und sein Timing neu definiert. Die meisten Schlagzeuger dieser Welt haben sich allerdings zurecht gefragt, was dieser Mann noch verbessern will.

Denn: Für viele Drummer dieser Welt – und für mich auch – ist Neal Peart eben viel mehr als nur ein virtuoser Schlagzeuger. Er ist auch ein unglaublicher Erfinder, was wirklich spannende Grooves und Übergänge angeht, und er war auch einer der ersten, der schon recht früh mit E-Drums gearbeitet hat. Ich habe Rush mal in Frankfurt gesehen, und da stand sein akustisches Set auf einer großen, runden und drehbaren Scheibe, und als er sein Solo gespielt hat, wurde diese Scheibe plötzlich um 180 Grad gedreht, und dadurch stand dann eben ein E-Drum vorne, auf dem er sein Solo nahtlos fortgesetzt hat.

Irgendwann wurde auch in der linken Ecke der Bühne ein wahrscheinlich 8 Meter großes Kaninchen aufgeblasen, oder man bediente sich später laufender Waschmaschinen oder Brathähnchengroßgrills als ´Bühnenshow´. Nur Kanadier bringen sowas fertig. Aber das ist eine ganz andere Geschichte…

Zurück zu Neils´ Arbeitsgerät: Auch im akustischen Set hat er übrigens Triggerpads und auch Percussion-Sachen, um wirklich viel damit anstellen zu können. Und das tut er, denn sein Spiel ist ebenso präzise wie lebendig. Sein Spiel ist wahrscheinlich deutlich mehr als ’nur‘ 33% des Trios Rush, und es wäre müßig, einen oder ein paar bestimmte Songs von Rush aufzuzählen, auf denen er besonders besonders war.

Aber klar – ‚Tom Sawyer‘ muss hier schon genannt werden. Wenn du noch nichts von Neal Peart und Rush kennst – dann wird es Zeit. Rush hat 40 Jahre lang gewirkt, und wirklich so gut wie die gesamte Musikerszene – egal, welches Genre – schaut bis heute voller Ehrfurcht auf diese Band, die nie so laut in die Medien gerufen wurde wie Led Zeppelin, The Who, die Beatles oder die Rolling Stones. Aber dennoch hat sie die Zeiten überdauert, und sie hat einen musikalischen Kosmos erschaffen, der seinesgleichen sucht und niemals finden wird.

Anspieltipp: Einfach alles!

Lars Ulrich (Metallica)

Über Lars Ulrich gibt es für meinen Geschmack deutlich zu viele Videos bei Youtube, in denen man sieht, wie er einen Fehler macht. Hohn und Spott sind aber aus meiner Sicht vollkommen unangebracht, denn der Mann hat Musikgeschichte geschrieben, und ich finde es absolut menschlich, wenn man mal aus dem Takt kommt. Wir dürfen uns alle gerne mal in einem Stadion mit 100.000 Leuten um uns herum ans Set setzen. Mal schauen, wie cool wir dann jeden Abend sind. Klar – Lars Ulrich ist vielleicht nicht der leiseste und bescheidenste Mensch, aber so ganz furchtbar laut und aufgeblasen ist er auch wieder nicht.

Egal wie – Lars Ulrich hat Musikgeschichte geschrieben, und Metallica wären nicht Metallica ohne ihn als Wegbereiter.

Aber mehr noch: Ich habe einen Kurs von ‚Nothing Else Matters‘ bei der OpenMusicSchool für dich, und in diesem spreche ich vor allem Lars Ulrichs kompositorische Fähigkeiten und seinen Ideenreichtum an. Ich persönlich spiele jetzt auch schon eine ganze Weile und kann ihm dennoch nicht im Geringsten das Wasser reichen. Du darfst nicht vergessen, dass es hier bisweilen ganz schön schnell und hart zugeht. Klar gibt es heute Schlagzeuger, die 20x schneller spielen können als er. Aber kaum einer hat es so verstanden, im Metal so songdienlich zu spielen. Und vielleicht kommt das gerade daher, dass er eben keine ‚over the top‘-Fähigkeiten hat.

John Bonham (Led Zeppelin)

Wer über die besten und bekanntesten Drummer philosophiert, der kommt an einem Namen nicht vorbei: John Bonham von Led Zeppelin. Sein Spielstil am Schlagzeug ist legendär. Sein Drumsound war fett, charakterstark – einfach unnachahmlich. Dementsprechend wurde Bonham 2011 von den Lesern des Rolling Stone auch zum besten Schlagzeuger aller Zeiten gewählt.

Bonham spielte auf Drums der Firma Ludwig. Seine Bassdrum war besonders groß (26“) und Bonham modifizierte sie sogar für noch mehr Druck. Damals war es nicht immer üblich ein Schlagzeug live zu mikrofonieren, eine hohe Grundlautstärke und ein wuchtiger Sound waren damit das A und O.  Eines der Geheimnisse des Bonham Sounds besteht darin, dass die Resonanzfelle bis zu einem Halbton über dem Schlagfell gestimmt/gespannt wurden. Beide Felle der riesigen Bassdrum waren deutlich höher gestimmt, als man annehmen würde.

Bonham brachte sich das Schlagzeug spielen selber bei – schon als Kind klopfte er auf Blechdosen. (Eine Geschichte, die irgendwie jeder zweite Drummer erzählt) Bonham wurde stark von Jazzdrummern beeinflusst und war einer der ersten, der Elemente aus dem Jazz in einem Rockkontext einsetzte. So hört man bei Bonham etwa in ‚Good Times, Bad Times‘ eine Bassdrum, die triolisch spielt und dadurch sehr dynamisch klingt. Seine Drums sind nie statisch, weil er die Bassdrum immer wieder anders setzt und geschickt variiert. Bonham wurde stark von Soul und Funk geprägt und spielte daher oft synkopiert und ‚laid back‘. Er verbindet die Musik zu einem Ganzen und gibt ihr einen einzigartigen Groove. Kleiner Hörtipp: Das Drumsolo in ‚Moby Dick‘, hier spielt er teilweise sogar mit den Handflächen. In ‚Fool in the Rain‘ spielt Bonham einen coolen Shuffle Groove.

Im Grunde kannst du alles von Zeppelin anhören, Rock at its best, Attitüde, Druck, Feeling. Ohne Bonham wäre die Drummer-Welt eine andere. Er hat viele bekannte Drummer beeinflusst und tausende unbekannte Band dieser Welt fiebern seiner Magie nach.

Steve Negus (Saga)

Steve Negus ist sicher einer der Schlagzeuger, die so weit unter dem Radar der ‚größten Helden‘ fliegen, dass es schon weh tut. Für mich ist Steve Negus, der ehemalige und entscheidende Schlagzeuger der kanadischen Prog-Rock-Gruppe Saga, ein absolutes Vorbild in Sachen Präzision, Ideenreichtum und somit Komposition – höchstens noch von Neil Peart erreicht.

Aber was macht Stege Negus´ Spiel aus? Zunächst einmal seine HiHat-Arbeit, die sehr charakteristisch für ihn ist. Ich empfehle die ersten 5-6 Alben von Saga – sie sind ein absolutes Muss für jeden Schlagzeuger. Und wenn du mal bei ‚The Sound of Strangers‘ angekommen bist, dann wirst du dich vielleicht fragen, wie man auf so einen Groove kommt. Und wie man dann auf die triolische Fortführung kommt. Tja, Steve Negus könnte das wahrscheinlich beantworten. Aber ich weiß auch so, was er sagen würde. Er würde als der bescheidene Kanadier, der er nun einmal ist, wie immer so etwas sagen wie: ‚Ich weiß nicht mehr genau – das ist mir so eingefallen…‘

So was macht einen fertig 🙂

Aber wenn du schon alles von Saga gehört und so viel wie möglich von Steve Negus gelernt hast – du findest du hierzu natürlich Kurse bei der OpenMusicSchool -, dann wird dir wahrscheinlich dennoch ‚How Long‘ irgendwie entgangen sein. Zumindest als Meilenstein der Musikgeschichte, was das Drumming angeht. Oh – das ist aber ein großer Fehler, denn was du da am Anfang hörst – diesen 16tel Synthesizer, der auch den Großteil des Songs durchläuft – den spielen weder Michael Sadler, der sowohl der Sänger, als auch ein ziemlich guter Bassist und Keyboarder ist, noch der eigentliche und unglaublich begabte (Linkshänder) Jim Gilmour und auch nicht Jim Crichton, der der eigentliche Bassist der Band und – du ahnst es bereits – ebenfalls Keyboarder ist.

Nein, keiner von denen spielt das, obwohl durchaus – gerade am Anfang – doch alle Bandmitglieder alle Zeit der Welt haben. Nein, diese schnellen Synthesizer 16tel spielt der Linkshänder Steve Negus im wahrsten Sinne des Wortes ‚mit Links‘. Er triggert dabei einen Moog an, und da ist kein Sequencer dahinter, keine Quantisierung – nix. Das hat er genauso live im Studio mit der linken Hand eingespielt, und genauso ist es auch auf dem Album. Ach – und bevor ich es vergesse: Er spielt natürlich gleichzeitig noch das Schlagzeug, und deswegen hörst du auch immer keine Hihat, wenn er den Synth mitspielt. Wobei – so ganz stimmt das nicht, denn natürlich lässt er sich nicht nehmen, hier und auch noch eine sich schließende Hihat als Übergang zu spielen.

Und als wäre das nicht schon genug, schaltet er auch noch während des Songs die Tonhöhe des Moog um, denn die 16tel-Figur erklingt in zwei unterschiedliche Tonhöhen. Und die ganze Zeit ist sein Drumming noch dazu absolut fantastisch und abwechslungsreich. Einfach mal nachmachen. Aber nicht meckern, wenn die Hand schon nach 20 Sekunden lahm wird. Bei mir wird sie es – egal ob rechts oder links.

An diesem Beispiel – und an vielen anderen – kannst du sehen, was für ein unglaublicher Schlagzeuger Steve Negus ist, und wenn du jetzt den Eindruck hast, ich lobe ihn hier wirklich über sämtlichen grünen Klee – dann hast du verdammt Recht! Steve Negus ist einfach nur der absolute Oberhammer.

Auch ein absolut tolles Lehrstück – und selbstverständlich ebenfalls nicht ohne – ist ‚Don’t be late‘. Nicht so schwierig bis fast unmöglich wie ‚How long‘ – das nicht. Aber es ist ein Meister- und Feuerwerk an ganz und gar wundervollen Schlagzeugideen, und vor allem am Schluss, wenn du die ganzen vorderen Parts gepackt hast, geht es erst richtig ab, und du kannst dich richtig befreien.

Steve Negus war aber auch ein – wenn nicht DER – Wegbereiter für die E-Drums – sowohl live, als auch im Studio. ‚Times up‘ und ‚Wind him up‘ sind hier sicherlich Songs, an denen du nicht vorbeikommen wirst. Das war 1981!

Lass´ dich aber auch als Einsteiger und auch als Fortgeschrittener nicht von Steve Negus entmutigen – das wird ihm überhaupt nicht gerecht. Suche dir einfach hier und da eine seiner schönen Schlagzeuggemälde und Ideen aus und male sie nach. Das lohnt sich immer, und es ist keine Schande, wenn du ihn nicht erreichst, denn selbst die größten Schlagzeugstars aller Zeiten vermögen das oft nicht. Aber Steve Negus ist einfach ein Buch – und zwar keines mit sieben Siegeln (von ´How long´ mal abgesehen ). Er ist ein Buch, das du auf jeden Fall in deinem Schrank haben und regelmäßig rausholen solltest.

Simon Phillips

Simon Phillips ist der englische Gentleman unter den Drummern, und Simon Phillips spielt schon so lange für alle nur erdenklichen Produktionen, dass man fast sagen könnte, der hat einfach nichts anderes gelernt.

Und tatsächlich stimmt das so in etwa, denn er hat wirklich ganz außerordentlich früh angefangen, professionell Schlagzeug zu spielen, und somit ist er wirklich eines DER Urgesteine im Pop- und Rockzirkus. Die Liste all derer, die er schon beschlagzeugt hat, ist zu lang, um sie hier abzubilden, aber die meisten werden ihn sicher vor allem als Schlagzeuger von Toto kennengelernt haben (Er kam nach dem Tod von Jeff Porcaro in die Band). Das greift aber eben bei Weitem viel zu kurz!

Sein Stil ist sehr gut herauszuhören, und das liegt aber nicht nur an seinem Stil selbst, sondern auch an seinem Sound: Simon Phillips verwendet immer(!) eine fast schon obszön fette und vergleichsweise enorm lang klingende Bassdrum. Ich habe mich oft gefragt, wie man so ein Ding erfolgreich in einem Mix unterbringen kann. Aber gerade die vielen Toto-Alben beweisen, dass das völlig problemlos geht.

Von Simon Phillips habe ich gelernt, als Rechtshänder mit der linken Hand Crashbecken zu spielen, während die rechte weiter das Ride bedient. Von Simon Phillips habe ich mir so einiges an Doublebassdrum-Geschichten abgeschaut, und durch ihn – genauer gesagt durch ‚Biplane to Bermuda‘ bin ich zum 7er (hier ein 7/8) gekommen und bin ihm seitdem verfallen.

Meine Geschichte zum Album ‚Symbiosis‘, auf dem ‚Biplane to Bermuda‘ enthalten ist, ist lustig: Ich war damals, als es herauskam, in Hamburg, und da ich von dem Album erfahren hatte, war ich in einen Plattenladen gegangen und hatte ein bisschen reingehört – unter anderem auch in die erste Nummer ‚Symbiosis‘. Aber so richtig überzeugen konnte mich das nicht – zu ungewohnt war diese Musik damals noch für mich, und also ließ ich die Platte im Laden. Das war – sagen wir mal – Montagvormittag.

Am Dienstagvormittag nach dem Aufstehen, war ich zu Fuß unterwegs zur U-Bahn, und wie ein Blitz traf mich dann dieses wundervolle Thema (die Melodie) von eben diesem ersten Track ‚Symbiosis‘, das bei ca. 01:06 beginnt, einfach so aus dem Nichts. Verstehst du? Ich hatte es am Tag vorher ein einziges Mal gehört, und es war mir nicht weiter aufgefallen. Und keine 24 Stunden später kommt es mir wie aus heiterem Himmel und komplett tutti in den Kopf geschossen, und in der Folge habe ich sofort – und da gab es auch überhaupt keine Alternative dazu – meinen ersten Termin am Morgen abgesagt und bin gewissermaßen ziemlich reuig in den Plattenladen gefahren und habe das Album sofort gekauft. Du siehst also – da sind wirklich viele zündende Ideen drauf. Aber ‚Symbiosis‘ ist ganz einfach auch so – wie jede Aufnahme von und mit Simon Phillips – ein Lehrstück, aus dem du wirklich super viel herausholen und eben – lernen – kannst.

Zurück zu Simons Bassdrum: Wem die vom Sound her noch nicht groß und rund genug ist, den bedient er spätestens mit seiner legendären Gong-Drum – einer riesigen Tom, die er von sich aus gesehen rechts hinten hängen hat und die ebenso voluminös wie wirklich enorm klingt. Ein absolutes Highlight! Ganz im Kontrast dazu spielt er aber auch ganz winzige Toms, die er gerne im Viererpack von sich aus gesehen links neben sich aufgehängt hat. Diese sogenannten Octbans klingen total spannend, und da Simon Phillips gerne Beats regelrecht ´konstruiert´ und durchaus gerne auch mal somit eine Art Drummachine imitiert, erzeugt er oft – gerade unter umfangreicher Zuhilfenahme ziemlich vieler seine Set-Bestandteile – ebenso ausgefeilte wie ungewöhnliche und sehr durchdachte Beats.

Nebenbei zeigt er auch noch ein fantastisches Doppelbassdrum-Spiel, und überhaupt ist Simon Phillips wohl einer der musikalischsten Schlagzeuger aller Zeiten, der sich noch dazu sozusagen in Echtzeit auf alle nur denkbaren und nicht denkbaren Stile und Musikrichtungen versteht. Er ist schon auf Grund seiner unglaublichen Erfahrung ein immer verlässliches Top-Fundament für jede Produktion und kann es bei Bedarf von ganz zart und leise und subtil, über songdienliche und supersolide Grundversorgung hinaus aber auch richtig krachen lassen! Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass er auch zu den ganz Großen gehört, was das Solospiel angeht. Ich kann mich an seinen Soli nicht satthören – sie sind absolute Meisterwerke!

Simon Phillips ist darüber hinaus aber auch noch Produzent und unglaublich versiert und im Studio zuhause. Das hat sicher auch damit zu tun, dass er immer den perfekten Drumsound wollte und will. Aber wie gesagt – der Mann lebt im Grunde seit seiner frühen Jugend entweder auf der Bühne oder eben im Studio und hat dort so ziemlich alles an namhaften Künstlern und Technikern kennengelernt. Da bleibt es nicht aus, dass er mit all dieser umfangreichen Erfahrung auch selbst im Studio ein Ass ist.

Mike Portnoy

Über diesen Mann habe ich auch schon die ein oder andere Ewigkeit gestaunt und diverse Kinnladen fallenlassen dürfen. Ich bin so richtig erst mit dem Album ‚Metropolis Part II‘ mit Dream Theater in Berührung gekommen und habe mich dann sowohl vorwärts als auch rückwärts mit deren unglaublichen Werk beschäftigt. Da wird einem nie langweiligJ

Und natürlich ist Dream Theater – zumindest der ganz große und wirklich bedeutende Teil davon – untrennbar mit Portnoy verbunden. Der Mann ist nicht gerade ein Ausbund an Bescheidenheit – weder im Auftritt, noch was die enorme Größe seines Sets angeht. Mike Portnoy war im Grunde immer der inoffizielle Frontmann von Dream Theater, und das, obwohl er ja immer – so wie nahezu jeder Schlagzeuger – immer hinten ‚in der letzten Reihe‘ der Bühne gesessen ist. Der Mann hatte aber einfach immer eine derartige Energie und Präsenz, dass er einfach von seinem hinteren Platz dennoch die meiste Show gemacht und die Band durchaus dirigiert hat.

Zunächst einmal habe ich wie gesagt zu Beginn nur so gestaunt, was dieser Mann da so alles spielt – und wie präzise er das tut. Gleichzeitig war diese Präzision aber auch dann für mich nach einer Weile und mehr und mehr Zuhörer- und Zuschauererfahrung der einzige wirklich kleine Haken an seinem Spiel. Er spielt eben gewissermaßen sehr mathematisch – einfach einen Tick zu perfekt. Wo Simon Phillips Dinge zwischen die Zeilen legt, die den Eindruck erwecken, da sei Timing-Luft (auch wenn das eben nur gefühlt so ist), lebt und atmet Portnoys Spiel auf seine Art einen Tick weniger. In dieser mathematischen Perfektion wird er aus meiner Sicht nur noch von Virgil Donati übertroffen, der da noch ein paar Schritte weitergeht und aber auch eine ganz andere Musik bedient.

Ich habe mich oft gefragt, wie Dream Theater wohl geklungen hätten, wenn Steve Negus ihr Drummer gewesen wäre – ein durchaus schönes und spannendes Gedankenspiel. Sie wären möglicherweise einen Tick weniger spektakulär gewesen. Aber gleichzeitig glaube ich, dass sie etwas organischer geklungen hätten.

Das soll aber jetzt nicht heißen, dass es Dream Theater im Allgemeinen und Mike Portnoy im Besonderen tatsächlich an irgendetwas Nennenswertem fehlt. Seine Ideen sind bisweilen geradezu unglaublich – und die Ausführung seiner Ideen sowieso. Irgendwie fehlt er mir schon bei Dream Theater, denn auch wenn sein Nachfolger Mike Mangini ein absoluter Superdrummer ist – das ‚Großmaul‘ Portnoy hat einfach irgendwie dazugehört. Wer weiß, vielleicht gibt es ja doch mal irgendwann eine Wiedervereinigung.

Zurück zu seinem Spiel: Er hat wie gesagt ein wirklich riesiges Set, und er nutzt aber auch viel davon. Seine Soli sind atemberaubend, und seine Doublebass-Fähigkeiten sind mit ‚enorm‘ nur unzureichend beschrieben. Und die ganze Zeit über hatte er auch immer noch dazu richtig viel Spaß beim Spielen und immer auch genug Zeit, Faxen zu machen und das Publikum anzuheizen. Ganz großes Kino!

Er liegt auch jetzt nicht auf der faulen Haut – im Gegenteil. Aber natürlich fehlt ihm jetzt eine Band wie Dream Theater, und so kann er sich einfach spielerisch und kompositorisch nicht so austoben wie früher. Er sagt zwar, das sei ok so, aber was soll er auch anderes sagen. Ich bin ziemlich sicher, dass Dream Theater sein Leben waren – zu viele gemeinsame und erfolgreiche (und auch mal weniger erfolgreiche) Jahre liegen da hinter ihm. Er hat immer massiv für die Band gekämpft – in jeder Phase ihres Bestehens. So etwas kann auch er nicht einfach in die Schublade legen. Klar geht das Musikerleben auch so weiter. Aber Dream Theater waren mit ihm halt schon eine wirklich große und bedeutende Nummer. Und wenn man es genau nimmt, dann waren sie im Progressive Metal auch nicht nur EINE wirklich große und bedeutende Nummer, sondern schlicht und ergreifend DIE wirklich große und bedeutende Nummer.

Virgil Donati

Der Außerirdische from Down Under! Doch, ganz ehrlich – für mich ist er das – ein Außerirdischer. Oder gewissermaßen DER Außerirdische unter den Schlagzeugern dieser Welt. Und wenn du das nicht glaubst, dann hörst du dir einfach mal ‚Dog Boots‘ von ihm mit der Band Planet X an – oder besser noch – du schaust es dir an. Unbedingt sehenswert.

Virgil Donatis Spiel ist von einer geradezu unfassbaren Präzision geprägt, und die erreicht er auch durch eine entsprechend enorme Disziplin – auch eine körperliche Disziplin. Wenn du dir mal eine Aufnahme von ihm von oben anschaust und siehst, wie schnell und fast schon digital akkurat er den Oberkörper drehen kann, wenn er seine schwindelerregenden Tom-Wirbel und Tom-Läufe aufs Set drischt, dann weißt du, was ich meine.

Aber er macht auch geradezu unglaubliche Sachen mit seinen Füßen, und es gibt wohl nichts auf der Welt, das ihn mehr ankotzt, als ein Standard 4/4. Wann immer er kann, entfernt er sich von ausgetretenen Pfaden, und er entfernt sich in der Regel dermaßen, dass du massive Probleme haben wirst, ihm dorthin und wieder zurück zu folgen. Für ihn hingegen ist das spielerischer Kindergarten, und er kommt daher immer wieder zurück – egal, wo er gerade war. Ganz besonders gefällt mir ein Stück, das es schon etwas länger gibt und das er aber mit der amerikanischen Gitarristin Nili Brosh noch einmal neu aufgenommen hat: ‚Alien Hip Hop‘. Das ganze Stück ist der Hammer, aber mit am coolsten finde ich es ab etwa Minute 6. Hör´ bzw. schau´ dir das unbedingt mal an.

Aber zurück zu Virgil Donati selbst: Ich kenne keinen anderen Schlagzeuger, der Crescendo-Doppelbassdrum-Rolls(!) in seinem Repertoire hat. Keine ’normales‘ schnelles Spiel ist hier gemeint, sondern tatsächlich eine Art Roll mit zwei Bassdrums. Du musst es gesehen und erlebt haben, um zu glauben!

In meinem Artikel über Mike Portony habe ich geschrieben, dass dessen fast schon mathematische Präzision im Grunde nur noch von Virgil Donati getoppt wird. Dadurch – und da ich diese mathematische Präzision eher als fast schon musikalisches Handicap betrachte – müsste jetzt hier demnach der Eindruck entstehen, Virgil Donati spiele noch mathematischer, kühler und ‚kopflastiger‘ als Mike Portnoy. Und im Grunde tut er das auch.

Aber gleichzeitig geht ihm dennoch auf eine gewisse Art diese Kühle Portnoys ab. Irgendwie schafft es Virgil Donati trotz seiner Weltraumdistanz immer alles harmonisch und musikalisch mehr zusammenzuhalten. Es ist schwer zu beschreiben. Er ist in Wahrheit viel extremer als Portnoy – und doch gleichzeitig so verbindlich zum Zuhörer, dass er einen mit seiner Präzision nie alleine lässt oder dauerhaft verschreckt. Er komponiert und koloriert einfach anders. Oder – und das kann auch sein -, man geht mit einer anderen Erwartungshaltung an ihn heran, denn er ist nun einmal, was er ist – ein Außerirdischer. Und vielleicht ist man da schon froh, wenn man überhaupt etwas von dem versteht, was er so macht. Wer weiß 🙂

Dein Philip Edelmann

3 Kommentare

    1. Hi Martin, da hast Du natürlich recht. Antolini ist einer der wenigen herausragenden europäischen Jazz/Swing-Drummer, die mit den amerikanischen Größen gespielt haben. Er spielt seit über 60 Jahren Schlagzeug und das mit so einem Gefühl und einer Leidenschaft, dass man ins Schwärmen kommt. Allerdings wollten wir in dem Beitrag nur die bekanntesten Drummer anführen, über mehrere Genres hinweg. Wenn wir eine Fortsetzung schreiben, darf Antolini natürlich nicht fehlen. Danke für den Hinweis!

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